Susanne’s Adventskalender Challenge – 18. Dezember 2022

Der erste Akt

Noch war es dunkel und still im Zuschauerraum und auf der Bühne.

 

Vor dieser Bühne hing ein roter und mit goldenen Kreisen bedruckter, bodenlanger und von der Decke herabfallender Vorhang. Vor dem Vorhang stand in der Ecke ein alter großer ausladender Sessel mit einem Fußhocker davor.   Die Holzstühle im Zuschauerraum, deren Sitze mit rotem Samt bezogen waren, hatten auf der Rückseite eine Plakette aus Messing angeschraubt, auf der mit schwarzer schnörkeliger Schrift eine Zahl geschrieben stand. Es gab auch einige Logenplätze, die wie Bienenwaben an den hohen Wänden des Zuschauerraumes angebracht waren;  in den Logen hing ein Vorhang und es gab zwei Stühle, mit mehreren Kissen für extra Bequemlichkeit. Von der Decke des Raumes hingen imposante kristallene Kronleuchter die darauf warteten dass, wenn der Abend begann, ihren hellen, funkelnden Glanz im Raum zu verbreiten

„Hm“, sagte der Stuhl mit der Zahl 33 und knarrte dabei leicht hölzern, „ob wohl die Vorstellung von heute Abend ein Erfolg sein wird?“ „Meine Güte“, kam ein Zischen von Stuhl 85, der zwei Reihen weiter vorne stand, „musst du denn wahrlich jeden Abend dieselbe dämliche Frage stellen??“  „Also ich bitte dich meine Liebe, “ warf Nummer 33 beleidigt ein und zog seine gepolsterte Rückenlehne gerade, „ich … „So, haben wir es mal wieder ruck-zuck geschafft, denn jetzt hören wir den ganzen Abend ein beleidigtes Schnüffeln von unserer empfindlichen 33…  ich halte das bald nicht mehr aus!“ Nummer 11 seufzte genervt. „Ich weiß gar nicht was ihr Euch so anstellt“, kam es von Nummer 99 in der ersten Reihe, direkt vor der Bühne. „wir hier vorne haben wöchentliche Stammkunden, die haben uns im Jahres Abo gebucht. Meine Be“sitzerin“  bricht mir mit ihrem ausgeprägten Hinterteil und ihrem hin- und her Gerutsche demnächst die Armlehnen und was passiert dann mit mir? Ich werd bestimmt entsorgt, der Hausmeister guckt mich sowieso schon immer so komisch an! Als Brennholz werde ich enden!“  „Meine Güte, was für eine Dramaqueen“, raunte Nummer 45 ihrer Nachbarin Nummer 46 zu und beugte sich zu ihr hin. Dabei knirschten die Holzstäbe in ihrer Sitzfläche bedenklich und Nummer 99 warf ihr einen misstrauischen Blick zu. „Aufgepasst!“, murmelte Nummer 46.

„Ja, aber alles nicht so schlimm wie bei mir!“  Die Stimme kam von oben aus Loge Nummer 007 und sie schallte durch den ganzen Raum. Durch diesen ging ein kollektives „Oh nein, muss das wirklich schon wieder sein?“ Die Stimme gehörte Stuhl Nummer 1, dem ältesten Stuhl im Hause.  Er war so alt, dass er und sein Be“sitzer, eine knapp 100jährige alte Dame aus dem örtlichen Seniorenstift, bei den Vorstellungen gemeinsam so laut ächzten, quietschten und knarzten, dass unter den anderen Stühlen Wetten liefen, wer von den Beiden zuerst zusammenbrechen würde.

Jeder holte Luft um das Unabwendbare zu ertragen, da kam eine Stimme von der Bühne. „So Mädels, für heute ist Schluss mit Gequatsche! Hört ihr denn nicht die Stimmen der Besucher vor der Eingangstüre?“ Der alte Sessel auf der Bühne sprach sein abendliches Machtwort. Er kontrollierte ob die Stühle in Reihe standen; er musste noch zweimal dazwischen gehen, da Nummer 45 und 46 wie üblich nicht aufhörten zu plappern. Dann ging auch schon das Licht an und die Menschen strömten herein. „Sag ich doch, ausverkauft!“ Nummer 33, auch immer dasselbe mit ihm jeden Abend.

Alle Besucher hatten ihre Plätze eingenommen, das Licht war gedämpft und der Vorhang wurde hochzogen.  Der Sessel war in die Mitte gerückt worden, ein großes Schild stand zwischen seinen Armlehnen und darauf stand in Großbuchstaben: DER ERSTE AKT!

 

S.B.2022

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