50shadesofcheese

„Da bekommt doch der Ölmützer Quargel sein Fett gleich doppelt weg!“, brummte Prinz Romadur ärgerlich und schüttelte dabei den Kopf, „was nützen mir all meine Ländereien – von Appenzell, Allgäu und Emmental bis nach Caprice des Deux und bonbel, über Gouda und Maasdamer bis ins weit entfernte Cheddar, Cheston und Blue Stilton – wenn ich keine Prinzessin finden kann, die diesen ganzen Käse mit mir teilt?

Er saß auf seinem aus schwedischem Elchkäse handgefertigten Thron und ließ den Blick verdrossen über seine Besitztümer schweifen. Vor ihm lagen soweit das Auge reichte ausgedehnte Weiden,  die säuberlich voneinander abgetrennt und eingezäunt waren mit Pfosten aus dickem heimischem Harzer Roller. Das Weidengras, auf dem friedlich große Herden von Blauschimmel grasten, war übersät mir üppig blühendem Fleur du Maquis und zartduftendem Picandou. Im Norden ragte das hohe und imposante, schieferartige Parmesangebirge auf, zu dessen Füßen sich der mächtige Carbonara seinen Weg durch die Quarkebene suchte.

All diese Ländereien hatte er von seinem Vater, König Reblochon vom edlen Geschlecht der Reblochon de Savoie, geerbt. Wie hatte er sich gefreut als er die goldene Käseharfe, die sich schon seit dem 18. Jahrhundert im Besitz der Savoie-Familie befand, von seinem Vater überreicht bekommen hatte.
Nur – seit einiger Zeit war ihm das alles nicht mehr so wichtig. Er fühlte sich einsam und weinte jede Nacht bittere Tränen in die mit cremig-körnigem Hüttenkäse gefüllten Kopfkissen; außerdem nässte er Mac&Cheese, seine Bündner Bergkäseschlafmaus, mit seinen Tränen dermaßen ein, dass diese gar nicht mehr trocken wurde. Was sie ihm übrigens sehr übel nahm und er mehr und mehr Schweizer Käse kaufen musste, um sie zu besänftigen. Mac&Cheese fraß nur die Löcher vom Schweizer Käse und die Beschaffung dieser Löcher war ein ziemliches aufwendiges – und teures! – Unterfangen.
SO ging es einfach nicht weiter. Aber was konnte er tun? Wo sollte er eine Prinzessin finden die es wert war, sein großes, käsiges Herz zu gewinnen? Nachdenklich betrachtete Prinz Romadur die steilen Gipfel der Parmesanberge. Etwas kam ihm in den Sinn. Er marschierte eilig zurück ins Palais du Reblochon, wo im Bavaria-Blue-blau-getäfelten Salon die neueste Ausgabe des journal du fromage lag. Schnell blätterte durch die Seiten……

Ah ja, hier stand auf Seite vier in großen Blockbuchstaben: EILMELDUNG!! (Von Chefreporter Stinking Bishop)
Provinz Provolone: „Raclette, der brandgefährliche Drachenwächter von Schloss Kasein, hat wieder gnadenlos zugeschlagen! Erneut ist ein furchtloser Ritter dem Beschützer der bezaubernd schönen Bewohnerin des Schlosses zum Opfer gefallen! Das tückische Ungeheuer ist unbezwingbar!
Und in Kürze nur bei uns im journal du fromage: Unsere Leser befürchten das Schlimmste: „Muss Prinzessin Feta S. als Jungfrau sterben?“

Unter der Meldung war ein Foto der Prinzessin abgebildet. Der Prinz schaute sich das Bild genau an und sein Herz begann heftig zu klopfen. Die Prinzessin war schön, so wunderschön. Viel schöner als ein Brie de Melun – sein Lieblings-Tortenbrie – und der war bis zum heutigen Tage das Schönste gewesen das er jemals gesehen hatte.
„Die oder keine“, sagte er energisch in den stillen Salon „so viel ist sicher!“
Als erstes brauchte er einen Plan. Er musste es schaffen an dem gefährlichen Drachen vorbeizukommen und das würde gar nicht einfach werden. Truppen, Waffen, Proviant, kräftiger Rotwein zur Entspannung und ein paar Flaschen Walnuss-Schnaps, um immer drohendes Fieber und Erkältung abzuwehren, mussten organisiert werden. Am besten er machte sich eine Liste, damit er nichts vergaß. Ein Grilled Cheese Sandwich konnte jetzt auch nicht schaden – nachdenken machte ihn immer hungrig!

Auf dem Weg zur Eingangstüre des Salons entdeckte der Prinz ein Stück Papier auf dem Boden. Er bückte sich ächzend um es aufzuheben und schimpfte dabei vor sich hin „Schweinerei! Was soll die Prinzessin denken wenn ihr künftiges Heim nicht tipp-topp sauber ist. Die Putzfrau kann sich auf so was von einer Abmahnung gefasst machen!”
Das cremefarbene Stück Papier war sorgsam zusammengefaltet und auf der Innenseite beschriftet. Er strich es glatt und begann zu lesen:

Geheime und vertrauliche Verschlusssache

Frage 1: Wie kann der gefährliche Drache Raclette außer Gefecht gesetzt werden?
Lösung : Mit Kässpätzle

Frage 2 : welcher Käse MUSS für die Kässpätzle verwendet werden?
Lösung : Schweizer Käse
(Merke: diese Info ist ÜBERLEBENSWICHTIG!!)

Prinz Romadur war baff! „Da brat ich mir doch gleich einen Mozzarella in Carrozza“ rief er aufgeregt. Wer hatte ihm wohl diese wichtige Nachricht zukommen lassen? Und wer hatte gewusst, dass er das Herz der schönen Prinzessin gewinnen wollte? Sehr mysteriös diese Sache! Aber erstmal egal, er hatte jetzt wichtigeres zu tun! Es musste viel erledigt werden bevor es in die Schlacht gehen konnte. Und – es musste schnell losgehen, am besten schon am nächsten Morgen. Er konnte es kaum mehr erwarten, seiner Angebeteten in die Augen zu schauen.
Gar nicht mehr hungrig und gut gelaunt sein Lieblingslied „Und der Käse, der hat Schimmel“ vor sich hin pfeifend verließ er rasch den Salon in Richtung königlichen Privatgemächer. In dieser Nacht blieben sein Kopfkissen und Mac&Cheese, der darüber mehr als verwundert war, trocken und flauschig.

Vorsichtig wurde die Türe zum Bavaria-Blue-blauen Salon geöffnet und Romadurs Mutter, Königin Liliputas kam herein. Suchend blickte sie auf den Boden. Sie lächelte. Ihr Plan war aufgegangen! Prinz Romadur hatte in dem für ihn bereitgelegten journal du fromage nicht nur den Bericht über den Drachen und die Prinzessin gelesen, sondern auch den Zettel mit den geheimen und vertraulichen Verschlusssachen, den sie auf den Boden gelegt hatte, gefunden.
Eine ganze Weile schon hatte Königin Liliputas ihren Sohn beobachtet und dabei sehr schnell herausgefunden, wo ihn der Käse-Holzschuh drückte. Sie konnte sehen, dass er keine Ahnung hatte wie er diesen traurigen Zustand beenden sollte. Männer! Von Natur aus leicht ungeduldig – eine Eigenschaft die sie von ihrer aus Litauen stammenden Großmutter Džiugas geerbt hatte – beschloss sie, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Sie schickte ihre Späher los, welche ihr Bilder von potentiellen Bräuten, die Einen mehr und die Anderen weniger schön, mit nach Hause brachten. Prinzessin Feta aus dem hohen Haus der Saganaki hatte ihr gleich gut gefallen. Ihr milchig-weißer Teint erinnerte an Ziegenmilch und ihre hellblauen Augen blickten schafsanft und geduldig in die Welt. Auch lächelte sie auf allen Bildern stets freundlich und einnehmend. In den Augen der Königin war sie so harmlos wie ein Stück Philadelphia Käse. Was kein schlechtes Attribut für eine gute Schwiegertochter war, dachte Liliputas und war mit ihrer Wahl sehr zufrieden.
Dass kurz danach ein Artikel über Prinzessin Feta im journal du fromage veröffentlicht wurde, war ein glücklicher Zufall. Und dass dann ihr Späher nicht nur ein Bild von Prinzessin Feta, sondern auch das Papier mit den lebensrettenden, geheimen Informationen über den Drachen Raclette mitgebracht hatte, war eine hoch willkommene Fügung des Schicksals. Königin Liliputas hatte nicht gezögert, dieses Wissen einzusetzen um ihren Sohn auf die rechte Spur zu lenken. Mit Erfolg, so wie es aussah!
Nur für einen kurzen Moment wankte Liliputas Entschluss, als ihr Raclette in den Sinn kam. Dieser Drache war wirklich stinkegefährlich und es brauchte mehr als einen ganzen Mann um ihn zu besiegen. Aber dann schüttelte sie die negativen Gedanken ab. Sie war sicher, ihr Sohn Prinz Romadur konnte den Drachen besiegen. Er musste sich eben anstrengen dafür, schließlich war die Trophäe es wert! Er würde ihr auf jeden Fall auf ewig dankbar sein. Und wer weiß,  irgendwann könnte das für sie nützlich sein! Leise zog Königin Liliputas die Türe hinter sich zu.

 

Als am nächsten Morgen der Weckruf der Käse-Uhr auf Prinz Romadurs Nachttisch pünktlich um 6 Uhr erklang und Pecorino Romanos Erfolgssong “Camembert and light my fire” im Schlafgemach erklang, war dieser schon seit Stunden unterwegs, um seine Reise zu Prinzessin Feta vorzubereiten.
Seine gesammelten Schätze, 24 Flaschen Cabernet de Savignon und 6 Flaschen Walnuss-Schnaps waren auf dem gusseisernen Herd in der Schlossküche deponiert, von wo aus sie auf den Proviantkarren verladen werden sollten. Daneben stand eine Kiste, in der das königliche Geschirr, Besteck und die Kristallgläser sorgsam verpackt lagen. Und der Korkenzieher!
In einem großen Korb häuften sich Käsehörnchen, Käsebrioche, Frittata mit Käse, Käsepizza, Käsestullen, überbackene Käsebrote, Käsesandwiche und als Notration diverse Päckchen von holländischem Käsegebäck. In einem weiteren Korb waren Gläser mit Cornichons, Silberzwiebeln, eingelegtem Knoblauch, Peperoni und scharfem Curryrelish verstaut.
Auf dem Arbeitstisch gegenüber dem Herd standen zwei Truhen. Die größere Truhe war gefüllt mit 250 kg Kässpätzle, zubereitet mit Schweizer Käse (!), die benötigt wurden um den Drachen überlisten.
In der kleineren Truhe waren die Geschenke eingepackt, mit denen Prinz Romadur das Herz der Prinzessin erobern wollte. Es gab eine einhunderter Packung handgerollter Ziegenkäse-Schokopralinen; mehrere Blumengestecke, liebevoll gestaltet mit Blüten aus echtem Red Leicester Käse. Und das Wichtigste: eine mit einer wunderschöne Schleife wiederaufbereitete Käseschachtel Mont d’Or mit einem Verlobungsgeschenk für Prinzessin Feta: ein von Prinz Romadur liebevoll ausgesuchter Käse-Zwiebel-Ring  aus dem wertvollen alten Familienschmuck!

Draußen vor dem Schloss wurde derweil der erlauchte Fuhrpark für die Fahrt vorbereitet. Die 6-spännige Königskutsche gezogen von Blauschimmeln, die königliche Schlafkutsche, deren weißer Baldachin aus exquisitem Käseleinen in der Morgensonne leuchtete und eine fahrende königliche Küche sowie das royale Porta-Potty warteten darauf, dass die Reise begann. Der königliche Versorgungsstab war noch dabei, die Proviantkarre und die weiteren Transportkarren mittels Zurrketten und Klötzen so abzusichern, dass von den Kostbarkeiten auf dem Weg nichts verlorenging, als Prinz Romadur, prächtig gekleidet und ausstaffiert, erschien.
„Ihr seid ja langsamer als ein Scheiblettenkäse im Grillmaster!“, rief er ungeduldig. „Alles klar zum Aufbruch ihre Majestät!“, salutierte sein Generaloberst Munster-Géromé, „Truppe, haaaabt acht!“ Am Fenster des Bavaria-Blue-blau-getäfelten Salons standen König Reblochon und seine Gattin Königin Liliputas mit Mac&Cheese auf dem Arm – der zuhause blieb weil er Reisen hasste – und winkten. Unter Begleitung von königlichem Trommelwirbel verließ der Konvoi das hoheitliche Schloss.

Der Landkarte folgend brauchten sie einen Tag zum Fuße des Parmesangebirges. Dort war an der Brücke von Grana Padano ein Nachtlager vorgesehen, bevor es am nächsten Morgen auf dem Gebirgsweg Quattro Formaggi auf den Gipfel ging. Es war geplant die Grenze zur Provinz Provolone beim Abstieg zu passieren und kurz danach in das Revier des Drachen Raclette einzudringen.
Der Tag verlief nach Plan. Bis spät in die Nacht saßen sie im Nachtlager am Lagerfeuer, tranken Wein und ließen sich die Käsebrotwaren aus dem Korb schmecken. Nach einer kurzen Nacht gab es am Morgen jedoch ein großes Gekratze und Gefluche, da alle übersät waren mit Stichen von Piophila casei, der gemeinen Käsefliege. Niemand hatte blöderweise daran gedacht, das Käsistil-Gel einzupacken!
Gegen Mittag erreichten sie den Gipfel des höchsten Berges im Parmesangebirge, den Testun al Barolo, von wo sie in die Tiefebene von Provolone und seinen endlosen zerklüfteten Hügelketten, dicht bewachsen mit Pinienbäumen, blicken konnten. Der Himmel war wolkenlos und im Süden der Tiefebene war Prinzessin Fetas strahlend weißes, in der Sonne funkelndes Schloss Kasein gut zu sehen.
Vor dem Schloss war ein sehr breiter Wassergraben angelegt, der selbst aus der weiten Entfernung tief und trübe aussah und über den eine schmale weiße Brücke führte. Diese Brücke endete nicht auf der anderen Seite des Wassergrabens, sondern unter einem Erkerfenster am Dach des Schlossturmes.
Vor dem Wassergraben lag ein hoher, rot glühender und schwarzen Rauch ausstoßender Knochen- und Kohleberg, vor dem ein großes Schild in den Boden gerammt war.
Generaloberst Munster-Géromé reichte Prinz Romadur den königlichen Feldstecher. Der schaute durch die Linse und sagte erstaunt „auf dem Schild steht: der Drachen ist nicht zuhause“. Alle blickten sich fragend an; Vumba Cheese, der Reisekoch aus Simbabwe, flüsterte „ Und wo genau ist der Drache, wenn er jetzt nicht zuhause ist…?“ Nach der Frage war kein Laut mehr außer dem heulenden Wind zu hören. Generaloberst Munster-Géromé räusperte sich, blickte die Truppe durchdringend an und sagte mit fester Stimme „ Edle Ritter vergesst nicht – unsere Truppe ist die Beste und Stärkste in ganz notre pays du fromage – und wir sind hier, um gemeinsam den Drachen zu besiegen. Denkt immer dran, WIR SCHAFFEN DAS!“
Als Antwort auf diesen Apell war ein grausiges Brüllen zu hören, dass durch die ganze Tiefebene schallte.
„So Leute, keine Fisimatenten wenn ich bitten darf! Zuerst erkunden unsere Späher wie immer die nähere Umgebung; erst wenn diese das o.k. geben, werden wir in Richtung Schloss weiterziehen. Zur direkten Abwehr wird der Zug angeführt von zwei Reihen unserer besten Ritter. Dann ist der Transportwagen mit den Kässpätzle an der Reihe – diese müssen bei Bedarf umgehend zur Verfügung stehen um den Drachen abzulenken. Wenn das wie geplant gelingt und wir Raclette damit verblüffen können, wird seine Hoheit Prinz Romadur am Drachen vorbei und in Richtung Schloss reiten.
Von diesem Zeitpunkt an ist er zusammen mit seinem Pferd auf sich allein gestellt. Sorry Sir – und alles Gute!“
„Als nächstes“, belehrte der Oberst seine Truppe weiter, „kommen die mit flüssig-heißem Schmelzkäse geladenen Kanonen zum Einsatz. Der Einsatz der Kanonen ist die Aufgabe der mittleren Abwehrreihen. Raclette wird irgendwann mit den Käsespätzle fertig sein und dann müssen wir handeln.
Das Verfahren für die Anwendung der Kanonen wurde übrigens von dem berühmten Schweizer Professor Helvetio Scheiblette erfunden. In jahrelangen Versuchen hat er herausgefunden, dass heißer Schmelzkäse nach der Erkaltung a) bockelhart wird und b) alles so verklebt, dass man es nie wieder auseinander bekommt. Der Käse ist unentfernbar!
Wir gedenken, dieses Verfahren bei Raclette anzuwenden. Heißt, wir beschießen den Drachen mit 6 Kanonen von jeweils 150 Liter heißen Schmelzkäse, ergibt summa summarum 900 Liter heißen Schmelzkäse, richtig? Raclette wird von oben bis unten überzogen sein mit Käse, das ist der Plan. Da er kurz zuvor 250 kg Kässpätzle verdrückt hat, kommt bei ihm noch ein nicht zu unterschätzender Müdigkeitsfaktor hinzu. Und das vor allem auch“, er erlaubte sich ein kleines gemeines Lächeln, „da wir die Kässpätzle mit etlichen Kilo geruchs- und geschmacklosen K.O. Tropfen präpariert haben. HaHa!
Den Abschluss unseres Angriffs bilden zwei weitere Reihen Ritter als Nachhut um uns den Rücken freizuhalten.“
Generaloberst Munster-Géromé holte tief Luft. „ Tapfere Ritter- notre pays du fromage braucht euch! Es geht los! Haaaabt acht – und Aufstellung“!
Nicht lange und die Truppe stand in Reih und Glied. Der General gab das Zeichen und lautlos verschwand der Konvoi zwischen den Pinien.

Nur langsam kamen sie auf dem unwirtlichen Terrain voran.
Bisher waren die Späher jedes Mal zurückgekommen, ohne dass der Drachen von ihnen gesichtet worden war. Aber nun stürmte ein Späher in großer Eile heran und rief „ Er kommt, er kommt! Ich habe von da hinten“- er zeigte vage nach rückwärts – „ eine große Staubwolke gesehen, die sich von Schloss in unsere Richtung bewegt! Und“, er schluckte trocken, „ ich habe meiner Lebtag noch keine so schnelle und vor allem so große Staubwolke gesehen!“

Die Lichtung auf der sie standen, war im oberen Bereich schmäler; das Gelände verbreiterte sich nach unten, nach Richtung Süden hin, was sich Generaloberst Munster-Géromé für den anstehenden Kampf mit dem Drachen zunutze machte. „Die ersten zwei Abwehrreihen nach unten und dort eine geschlossene Linie bilden– marsch, marsch! Den Transportwagen mit den Kässpätzle direkt dahinter mittig stellen. Links ist das Gelände mehr vom Geröll eingeschlossen, dort wollen wir den Drachen haben und dort werden wir ködermäßig große Mengen von Kässpätzle verteilen. Rechts ist das Terrain mehr offen, also ist dort die beste Chance für seine königliche Hoheit und sein Pferd möglichst ungesehen am Drachen vorbeizureiten. Soweit alles klar?“ Der General war einmal mehr sichtlich in seinem Element. „Als nächstes stellen wir die Kanonen mit dem heißen Schmelzkäse auf. Wir schießen sofort los, wenn er angreift. Das ist ein Befehl. Und hoffen wir, dass die K.O. Tropfen schnell wirken. Die Nachhut weiß was sie zu tun hat. Irgendwelche Fragen? Nein? Dann viel Glück euch allen!
Vive notre pays du fromage!“

Das Warten begann.
Erst begann der Untergrund zu beben, die Erschütterungen nahmen mehr und mehr nahmen zu, Geröll und große Gesteinsbrocken kugelten wild umher. Dann war ein wütendes Schnauben zu hören, der Schauplatz hüllte sich ein in diesige Nebelschwaden und die Luft wurde drückend und warm.
Aus dem Nebel wurde ein Drache sichtbar, der ohrenbetäubend laut brüllend auf die Lichtung stürmte. Raclette war unglaublich groß, die Klauen riesig und über 2 m lang; der Körper und die Flügel waren mit schwarz-grünen, metallic glänzenden Schuppen bedeckt. Er hatte ein riesiges Maul, in dem ohne Probleme der komplette königliche Konvoi Platz gefunden hätte.

Die Nebelschwaden lichteten sich und der Drache entdeckte die Truppe! Er begrüßte sie mit einem brennendheißen Fauchen so heiß, die Zapfen an den Pinien in Sekundenschnelle braun wurden und auf den Boden fielen. Sein Schwanz peitschte auf und nieder und wirbelte Staub, Geröll und Zapfen auf. Die goldfarbenen Augen funkelten wutentbrannt ……
Der Drache beugte Kopf und Nacken nach vorne und stürmte los –
Angriff!!

Abrupt hielt Raclette inne … er hob seinen mächtigen Kopf und mit geblähten Nüstern drehte er den Schädel nach links und schnupperte. Und schnupperte nochmal. Was für ein wundervoll einladender, käsiger Duft! Vorsichtig bewegte er sich auf die linke Seite des Geländes zu wo der Duft am intensivsten war, die Truppe dabei immer im Blick behaltend. Sein Instinkt sagte ihm es wäre besser sich auf den Angriff zu konzentrieren, aber dieser Duft war einfach zu unwiderstehlich! Den Kopf dicht am Boden, entdeckte er die erste Portion Kässpätzle. Und noch eine! Und da drüben weiter links noch eine! Raclette war im Rausch und alles was um ihn herum geschah war völlig in den Hintergrund geraten.

„Jetzt oder nie, Majestät“, flüsterte Generaloberst Munster-Géromé. Prinz Romadur schwang sich auf sein Pferd. Er nickte der Truppe zu, tauschte ein high five mit seinem Generaloberst aus und trabte, sich ganz rechtshaltend, langsam und vorsichtig davon. Am Ende der Lichtung angekommen, drehte er sich nochmals um, winkte den Männern zu und galoppierte davon in Richtung Schloss Kasein.

„Attacke! Macht ihn fertig Männer!“ Generaloberst Munster-Géromé rannte als erster mit gezücktem Schwert auf den Drachen zu, dicht gefolgt von den anderen. Sie positionierten die Kanonen und der Generaloberst schrie, „ Feuer frei!“

Raclette mochte es nicht, wenn man ihn beim Fressen störte. Langsam drehte er sich um. Er öffnete sein Maul, um mit einem gezielten Feuerstrahl diese lästigen, um ihn herumrennenden kleinen Wesen ein für alle Mal zu vernichten –  da traf ihn ein geballte Ladung kochend heiße, klebrige Masse Schmelzkäse mitten auf die Nase.
Überrascht duckte er sich weg, nur um so noch mehr vom Schmelzkäse getroffen zu werden, der Beschuss mit Käse hörte gar nicht mehr auf. Der Drache versuchte zurückzuweichen, aber seine Füße klebten inzwischen in einem riesigen Berg aus Schmelzkäse fest. Seine Flügel waren dick mit Käse verklebt, sie standen starr und unbeweglich an den Seiten ab. Raclette verlor das Gleichgewicht und kippte nach vorne. Im Nu wurden Körper und Kopf käsemäßig so überschüttet, es war unmöglich für ihn sich davon zu befreien. „Die k.o. Tropfen scheinen auch zu wirken!“ Der Oberstgeneral erlaubte sich ein erfreutes Schmunzeln. Der Drache war jetzt über und über mit Käse bedeckt und lag ganz still da; es war schwer zu erkennen, ob er überhaupt noch atmete.
Fast konnte man Mitleid mit dem einst so stolzen Raclette haben – bis man sich daran erinnerte, was er all die Jahre für ein unbarmherziges Monster gewesen war, das so viele unschuldige Leben auf dem Gewissen hatte.

„Männer, ich denke das reicht jetzt! “, sagte Generaloberst Munster-Géromé zufrieden „packen wir zusammen und machen wir, dass wir nach Hause kommen! Ich glaube ja nicht, dass der Drachen für uns oder für irgendjemand noch eine Gefahr darstellt, aber man kann ja nie wissen!“

Gesagt, getan. Die Geräte und Waffen wurden auf die Transportwagen verstaut und nach kurzer Zeit trat der Konvoi den Heimweg an.
Die Lichtung lag leer und ausgestorben da – bis auf einen riesigen Berg dampfendem Schmelzkäse unter dem ein Drachen lag,  der keinen Mucks mehr von sich gab.

 

Prinz Romadur war den ganzen Weg ohne Pause geritten. Nun stand er hoch oben auf der letzten Hügelkette und Ross und Reiter blickten hinunter ins Tal auf Schloss Kasein. Der „weiße Palast“ wie er auch genannt wurde, war gebaut aus schneeweißem Mascarpone. Die Fenster, Dächer und Zinnen waren mit funkelnden Perlen, handgefertigt aus echtem italienischen Ricotta, verziert. Das ganze Schloss war über und über bestäubt mit Puderzucker, welcher dem Schloss einen magischen Glanz verlieh.

Er gab seinem Pferd die Sporen und galoppierte hinunter ins Tal. Beim Schloss angekommen, holte er die Verlobungsgeschenke für Prinzessin Feta aus den Satteltaschen, verstaute sie in seinem Rucksack und band sein Pferd an der weißen Brücke fest. Den Rucksack fest umgeschnallt, betrat Prinz Romadur vorsichtig die Brücke die  aus einzelnen großen Kugeln von Büffelmozzarella zusammengesetzt war.
Er überquerte den Wassergraben und stieg den Rest der Brücke langsam hoch bis zu dem Erkerfenster unter dem Dach des Schlossturmes. Das Fenster war offen.
Prinz Romadur streckte den Hals und blickte hinein. Er sah in einen großen, weiß getäfelten Raum, der  fast leer war – bis auf weiße Samtvorhänge an zwei Fenstern, einem Vogelkäfig mit einem weißen Kakadu und einem mit weißem Stoff bezogenen Ohrensessel, auf dem eine dicke weiße Katze schlief und dabei leise schnarchte. Und bis auf  ein großes weißes Bett in der Mitte des Raumes,  über das baldachinmäßig ein weißes Moskitonetz gespannt war.  Das Bett war dekoriert mit einer weißen Bettumrandung und einem großen Gemälde an der Wand dahinter, auf der eine goldene Krone auf weißem Hintergrund abgebildet war. Auf dem Bett lag Prinzessin Feta und schlief.

Behutsam stieg Prinz Romadur durch das offene Fenster und ging mit leisen Schritten zum Bett. Er blickte auf Prinzessin Feta hinunter und hielt den Atem an. Sie war noch schöner als auf dem Bild. So viel Schönheit, er konnte es kaum glauben. Vorsichtig bückte er sich hinunter und küsste zart Prinzessin Fetas frischkäsebleichen Lippen.

Prinzessin Feta öffnete ihre Augen. „Dein Rasierwasser riecht aber komisch“, sagte sie und nieste. „Eau den Reblochon“, antwortete Prinz Romadur, „ zu Anfang ein bisschen herb, aber man gewöhnt sich daran.“ Er küsste sie wieder. Prinzessin Feta nieste. Und nieste noch einmal. Um sie abzulenken, holte er die Verlobungsgeschenke aus dem Rucksack und überreichte ihr die handgerollten Ziegenkäse-Schokopralinen und die Blumengestecke. Prinzessin Feta nieste entzückt über die Geschenke. Sie war kein Kind von Traurigkeit, sie lachte und schätterte und küsste Prinz Romadur zum Dank leidenschaftlich.
Prinz Romadur, überwältigt von ihrem Charme ging benommen auf die Knie. Er steckte ihr den Zwiebel-Käse-Ring an den Finger und bat sie schüchtern um ihre Hand. Prinzessin Feta setzte sich neben ihn auf den Boden, wo sie ihm nicht nur ihre Hand, sondern auch gleich den Rest von ihr schenkte…..

….. der Aufbruch fand um einiges später statt – was beide aber nicht störte. Sie verließen Schloss Kasein nur mit dem nötigsten bepackt. In einer der Satteltaschen war den Kakadu samt Käfig verstaut, während in der anderen vor sich hinschimpfend die dicke weiße Katze saß und nach Spucktüten verlangte. Prinzessin Fetas restliches Gepäck würden sie irgendwann mal später holen zusammen mit den Möbeln.

Auf dem Ritt in seine Heimat erzählte Prinz Romadur Prinzessin Feta von seiner Einsamkeit, dem Artikel im journal de fromage und vom Kampf mit dem Drachen Raclette. Auch Prinzessin Feta war zufrieden, dass der Drache besiegt war; hatte er doch dafür gesorgt, dass es vor Prinz Romadur kein Ritter geschafft, hatte bis zu Schloss durchzudringen und sie aus ihrer Einsamkeit zu erlösen. Sie waren echt froh sich gefunden zu haben und nicht mehr einsam sein zu müssen.

Sie kamen an der Lichtung vorbei wo der Kampf mit Raclette stattgefunden hatte. Der Berg aus Schmelzkäse dampfte noch leicht vor sich hin, aber darunter rührte sich nichts. Schnell ließen sie den unglücksseligen Platz hinter sich und hofften beide, dem Drachen nie wieder zu begegnen. Prinzessin Feta war sehr stolz auf ihren tapferen Prinz Romadur, aber der winkte nur bescheiden ab. „Aber von nichts kommt nichts“, meinte sie mit Nachdruck, und küsste Prinz Romdur leidenschaftlich …….

Sie ritten die ganze Nacht durch und mit den ersten Sonnenstrahlen erreichten sie das Palais du Reblochon. „Krass“, krähte Prinzessin Feta in den Morgenhimmel, „coole Bleibe!“

Sie nieste. Der Kakadu kreischte und die dicke weiße Katze sortierte ihre Spucktüten und sprach mit niemand mehr. Prinz Reblochon schüttelte den Kopf und lachte. Sie blickten sich an und konnten ihr Glück kaum fassen. Händchenhaltend ritten sie in den rosarot-goldenen Morgen und ihrer glücklichen Zukunft entgegen.

 

Königin Liliputas bemerkte recht schnell,  dass es die Prinzessin wie sie auf auf dem Bild welches der Späher ihr gebracht hatte,nicht gab. Der milchigweise reine Teint war zwar da, aber ansonsten keine Spur von schafsanft, geduldig, freundlich und von wegen einnehmend. HA!  Und Feta war ganz weit davon entfernt so harmlos zu sein wie ein Stück Philadelphia Käse!
Pfff, dachte Königin Liliputas. Ihr Sohn schien glücklich zu sein – noch jedenfalls. Und sollte es irgendwann mal anders sein, würde SIE ihrem Sohn zur Seite stehen. Und wie immer würde SIE schon lange vorher gewusst haben dass …..

König Reblochon liebte seine Schwiegertochter Feta. Ihr offenes Wesen, die Art wie sie ihn um den Finger wickeln konnte und ihren unschlagbaren Charme. Sie war wie ein frischer Wind in den alten Gemäuern. Und das war gut so.

Prinz Romadur war einfach nur glücklich. Ende.

 

Auf der Lichtung saß Raclette auf einem riesigen Berg von kaltem, zusammengebackenem Schmelzkäse. Neben ihm stand der Transportwagen mit den Lebensmitteln und Getränken aus dem Palais du Reblochon; der Wagen war nach der Schlacht beim Packen übersehen und stehengelassen worden.

Der Drachen war umringt von zahllosen leeren Flaschen Cabernet Savignon. Vertieft und vor sich hin grummelnd bearbeitete er die dick mit Käse verkrusteten Schuppen an seinem Körper mit Walnuss-Schnaps. Dies tat stellenweise höllisch weh und jedes Mal nahm er einen kräftigen Schluck aus der Rotweinflasche zur Betäubung. Mit jedem Schluck wurde der Zorn über seine schmähliche Niederlage größer. Seine Rache würde grausam sein!

Fauchend stieg er herunter von dem Käseberg und schaute sich um. Sein Blick fiel auf die Pferde- und Wagenspuren am Boden. Diese lästigen kleinen Wesen hatten ihn mit Käsespätzle und ihren lächerlichen Käsekanonen reingelegt.
Es war Zeit, es ihnen heimzuzahlen!

Mit einem tiefen Grollen und gefährlich blitzenden Augen folgte der Drache den Spuren bis zum Ende der Lichtung. Dort verschwand er zwischen den Pinienbäumen.


 

Index

Ölmützer Quargel; Sauermilchkäse mit Rotschmiere, Österreich

Elchkäse; Feta-ähnlicher Käse aus Elchmilch,  teuerster Käse der Welt, 500 Euro/kg

Picandou; Ziegenfrischkäse, Frankreich

Fleur du Maquise; Schafskäse, Korsika

Reblochon de  Savoie; halbfester Schnittkäse, Savoyen Frankreich

Stinking Bishop;Weichkäse, England

(Wird in einer Mostbirnen-Sorte, die Stinking Bishop heißt, zur Reifung gelagert und bekommt so  den individuellen Geschmack und Geruch)

Brie de Melun; Weichkäse mit Edelschimmel, Frankreich

(Wird in Bayern als Grundlage für Obatzter verwendet.)

Mozarella in Carrozza;  „Mozzarella in der Kutsche“

(typisches Gericht aus der süditalienischen Region Kampanien (Neapel). Es handelt sich um eine frittierte Vorspeise aus Toastbrot mit Mozzarella Füllung, dann in Mehl gepackt, durch Ei passiert und schließlich frittiert.)

Liliputas; halbfester Schnittkäse, Litauen

Džiugas; Hartkäse, Litauen

Red Leicester; orange-roter Hartkäse, England

Munster-Géromé;  Weichkäse aus Rohmilch, Frankreich

Testun al Barolo; Hartkäse aus Ziegen- und Kuhmilch, verfeinert mit Barolo-Trester, Italien

Vumba Cheese; Schafskäse, Simbabwe

Kasein;  Name für den Proteininhalt der Milch, der zu Käse weiterverarbeitet wird und nicht in die Molke gelangt.


 

Zur Hochzeit von Patenkind Julia und Ehemann Manuel, Frankreich Fans und Käseliebhaber! 04. Juli 2019

 

Idee, Design und Gestaltung Filzmäuse/Käsestücke; Karin Schuhmacher

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