Geißblatt Tango
Schlaftrunken richtete sie sich im Bett auf. Stille. Dunkelheit. Ein kurzer Moment von Panik. Einatmen und ausatmen. Stille. Sie drehte ihren Kopf und blickte auf die kleine schwarze Uhr auf dem Fernsehtischchen. Die rote Leuchtziffer zeigte 2.55 Uhr. Mit einem tiefen Seufzer ließ sie sich zurück in die Kissen fallen. Sie war so müde. Warum nur war sie aufgewacht? Sie war früh zu Bett gegangen. Kurz nach 21.00 Uhr. Ausnahmsweise war es ihr gelungen, den dröhnenden Fernseher der Nachbarn zu ignorieren. Auf ihr geliebtes Glas Wein hatte sie verzichtet und stattdessen Fencheltee getrunken. Für eine gute Nachtruhe. Trotzdem war sie nun wach. Die Bettdecke fest um sich gewickelt drehte sie sich auf die andere Seite und schloss die Augen. Weiterschlafen. Sie hatte immerhin noch 3 Stunden bis zum aufstehen. Immer wachte sie zur gleichen Zeit auf. Punkt 6.00 Uhr. Immer. Ohne Wecker, den brauchte sie seit Jahren nicht mehr. Egal wie viele Stunden sie geschlafen hatte oder wie müde sie war, ihre Augen öffneten sich immer zur selben Zeit. Einatmen, ausatmen. Einatmen, ausatmen. Einschlafen. Ihre Blase meldete sich. Sie beschloss, sie zu ignorieren. Ja klar. Als ob das schon einmal funktioniert hätte. Sie stand auf und ging ins Bad. Das Licht am Spiegelschrank zeigte ihr ein blasses, müdes Gesicht. Wie immer um diese Uhrzeit reflektierte es die Spuren zahlloser schlafloser Nächte. Egal, dachte sie, es ist eh zu spät für Alles.