Mathilda und der mysteriöse Umschlag

Mathilda und
der mysteriöse Umschlag
Kapitel 1

Gestern Nachmittag kam ich so dir-nix-mir- nix nach Hause und sah schon weitem einen großen bunt-bedruckten Umschlag im Briefkasten stecken. Oh wie schön, dachte ich, Überraschungs-Post! Das kam nicht sehr oft vor, meistens war der Briefkasten leer! Oder, im schlimmsten Fall, wurden unnötige Rechnungen für mich darin abgelegt! Heute sah der Briefkasten allerdings so aus, als ob er gleich überquellen würde. Es war noch ein weiteres Kuvert zu sehen und eine Zeitung, vollgestopft mit jeder Menge unnötiger Prospekte, war so quasi um den bunt-bedruckten Umschlag herumgewickelt. Das Ganze hing über die Hälfte aus dem Briefkastenschlitz heraus und es sah so aus, als ob beim nächsten Windstoß alles davonfliegen würde.

Je näher ich meiner Haustüre und dem Briefkasten kam, desto mehr konnte ich ein helles, aber nicht wirklich verständliches, zischendes Gemurmel hören, dass aus dem großen Umschlag zu kommen schien. Es klang zudem sehr wütend.

Das war eigenartig………………

In meiner Umhängetasche befanden sich zwar die Pillen die ich kurz zuvor in der Apotheke besorgt hatte, da ich mir dummerweise vor 2 Tagen den Rücken verzogen hatte – fragt mich nicht wie ich das mal wieder hingekriegt habe – und seither im Sitzen schlafen musste, da hin liegen einfach nicht möglich war –  aber: diese Pillen hatte ich noch gar nicht genommen und auch auf dem Beipackzettel  unter der Rubrik mögliche Nebenwirkungen war nichts von „Stimmen hören“ aufgeführt. Und das wusste ich genau, denn Beipackzettellesen war eine Spezialität von mir!

Am Briefkasten angekommen, war das unverständliche Gemurmel in dem Umschlag noch lauter geworden. Auch bewegte sich der Umschlag heftig hin und her – es sah beinahe so aus, als ob etwas im Kuvert von einem Ende zum anderen rannte und dabei kleine Erhebungen von innen an die Hülle boxte.

Es dauerte seine Zeit bis ich den Schlüsselbund fand…… ah ja, da war er. Ich steckte ihn ins Schloss und im Umschlag wurde es schlagartig still. Aber nur kurz und dann ging es richtig los.  Ich hörte ein zugegebenermaßen etwas fiepsig klingendes aber trotzdem lautes und forderndes Stimmchen. „Jaja“, sagte ich, „bin ja schon dabei“ und versucht das Kuvert- und Zeitungsgewirr aus dem Briefkasten zu zerren. „Aua!!“ Das Stimmchen klang zornig. Vorsichtig zerrte ich weiter an dem Papierwulst. Der Briefträger hatte sich wirklich nicht viel bei seiner Arbeit gedacht. Geschafft!  Drinnen in der Wohnung legte ich den Umschlag auf den Tisch. Vorsichtig stupfte ich ihn mit meinem Zeigefinger an…. „Raus will ich, lass mich SOFORT hier raus, „schrie das Stimmchen wutentbrannt. WOW, dachte ich, dann schaun wir uns die Sache mal näher an.  Ich nahm das Kuvert an einer Ecke hoch und schüttelte es vorsichtig um herauszufinden, wo genau das Stimmchen sich aufhielt und wo ich den Umschlag am besten öffnen konnte.  Keine gute Idee – so viel konnte ich gleich  sagen. „Hey!!!!!!“.

Mann, da war jemand sauer! Ich schnitt die Hülle an der vorderen Kante auf und legte sie zurück auf den Tisch. Ein Weilchen geschah nichts;  dann bewegte sich etwas schimpfend und hektisch in Richtung der Umschlagöffnung. Als erstes war ein dicker Schopf rote, in alle Richtungen stehende, wollige Haare zu sehen. Darunter war ein nettes rundes Gesichtchen mit grünen Augen, die im Moment allerdings sehr ungehalten um sich blickten. Zu guter Letzt kam ein Körperteil, in einen schicken rotblumig-bedruckten Overall gehüllt zum Vorschein. Arme und Beine gab es keine –was das Wesen allerdings nicht davon abhielt, wie ein kleiner Gummiball auf den mit Luftpolster verkleideten Umschlagresten auf und ab zu hüpfen.  Es rief immerzu:  „Wasn´ Firlefanz Mathilda, wasn´ Firlefanz!“  Ich folgerte daraus, dass das Wesen wohl Mathilda hieß; was es mit dem „Firlefanz“ auf sich hatte…. –  keine Ahnung.  Jedenfalls noch nicht.

Und dann:  Mathilda hatte mich entdeckt!  Mit blitzenden Augen hüpfte sie auf mich zu und baute sich vor mir auf.  „So!“, sagte sie aufgebracht und wütend, „so!“  Was sollte ich dazu sagen?  Mathilda rollte ihre grünen Augen und sagte mit lauter Stimme (vielleicht glaubte sie, ich wäre taub?) „Und???“. Ihr roter Haarschopf zitterte bedenklich.  „WIE BIN ICH HIERHER GEKOMMEN??“.  Tja, gute Frage.  Halt, die konnte ich ja beantworten.  „In einem Umschlag“, sagte ich zu Mathilda. Sie warf mir einen vernichtenden Blick zu.  Es stand zu befürchten, dass ich bisher keinen allzu großen Eindruck bei ihr hinterlassen hatte. „Stimmt aber trotzdem“, sagte ich, „lass uns mal nachschauen, ob der Poststempel was hergibt“. Ich hob den Umschlag auf und zeigte Mathilda die Vorderseite des Kuverts mit meiner Adresse und der Briefmarke drauf. Mathilda warf nur einen Blick auf den Umschlag und hüpfte vor Schreck zwei Schritt zurück. Sie packte meinen Ärmel und flüsterte aufgeregt: „Udo, das ist Udo… sehr gefährlich, sehr gefährlich, wir müssen jetzt sehr sehr vorsichtig sein…… Heute schien ich nur auf der Leitung zu stehen, denn ich hatte keine Ahnung was sie meinte. Ich wollte aber kein Spielverderber sein, also flüsterte ich zurück „Udo, wer ist Udo?“  „Na DER da“, sagte Mathilda ungeduldig, „bist Du blind oder was?“  „Also“, sagte ich, „ich seh nur ein Papier-Krokodil, sonst nichts“.

„Nur ein Papier-Krokodil“ schrie Mathilda und vergaß dabei ganz, dass man nur flüstern durfte, „das ist kein Papier-Krokodil, das ist Udo – und Udo, der ist stinke-gefährlich, stinke-gemein und stinke-überhaupt!“ Mathilda hatte vor Aufregung fast so einen roten Kopf wie ihre Haare bekommen, welche ihr – es war kaum zu glauben – noch wilder vom Kopf abstanden als vorher. Ich schaute mir das Krokodil genauer an. Also Udo sah für mich nicht gefährlich aus;  im Gegenteil, er zwinkerte mir mit seinem einen Auge verschwörerisch zu und ich meinte um seine Mundwinkel herum ein schelmisches Grinsen zu entdecken. Aber das war bestimmt nicht möglich – Papier-Krokodile können nicht zwinkern und grinsen, das wusste doch jeder! „Na ja“, hörte ich da eine Stimme in meinen Kopf, „du weißt aber schon, dass normalerweise kleine rothaarige Stoffpüppchen auch nicht sprechen können, oder?“ Hm.

Mathilda schaute mich schon die ganze Zeit fragend an.“ Siehst du jetzt was ich meine?“, sagte sie und riss ihre grünen Augen auf. Ich wollte es mit ihr nicht verderben und was konnte es schon schaden, wenn ich ihr Recht gab? Also nickte ich zustimmend und versuchte meine Stirne in sorgenvolle Falten zu ziehen. Es schien mir ganz gut zu gelingen, denn Mathilda betrachte mich zum ersten Mal seit wir uns getroffen hatten etwas wohlwollender. Ich nahm den Umschlag und drehte ihn auf die Rückseite um zu sehen, wie groß das Papier-Krokodil war. Ganz schön groß war es schon, das musste ich zugeben.  Auf dem Schwanzende des Papier-Krokodils saß ein kleines Männchen mit einem schwarzen Zylinder aufgesetzt,  in einem roten Sportwägelchen, auf dessen Rückbank ein gelber Kran versehen mit einem Schiffshaken thronte. „Wer ist das denn?“, fragte ich zu Mathilda. „Phffff“, machte diese, „das ist Fiete Piepenbrink, Udo´s bester Kumpel. Die zwei machen alles zusammen, ich kann nur sagen: Einer schlimmer als der Andere. Udo hatte einen super Plan, ja den hatte er!“ „Wie jetzt“, sagte ich etwas erstaunt darüber, dass Papier-Krokodile Pläne schmieden können, „was für´n Plan denn?“ „Na“, Mathilda holt tief Luft, „er wollte mit seinen großen Zähnen ein Loch in den Umschlag beißen!“ „Und dann“, fragte ich. „Dann“, Mathilda schauderte es sichtlich, “ sollte Fiete mit dem Auto in den Umschlag fahren, mich suchen und wenn er mich gefunden hat, mit dem Schiffshaken vom Kran einfangen. „Und dann? Nun sag doch schon“, meinte ich nun selber etwas aufgeregt. „Daahhhan“ sagte Mathilda, „wollte er mich aus dem Umschlag zerren und ich sollte in Buxtehude über Bord geworfen werden.  „Wieso jetzt Buxtehude? Woher weißt du denn das so genau?“, wollte ich von Mathilda wissen. „Ich hab es gehört, sie haben darüber gesprochen. Udo meinte, „jetzt krallen wir sie uns und dann ab mit ihr nach Buxtehude“.

Das hört sich echt gefährlich an“, meinte ich mitfühlend, „aber sag mal, ich seh da ein paar große Fische, konnten die dir nicht helfen?“ „ Die?“, lachte Mathilda, “haha –  das sind die Jonas Brothers, Kevin, Joe, Nick, Ray, Dave und Jonas, der Chef. Der meint er wäre was Besseres, deswegen schwimmt der auch vorne auf dem Umschlag und nicht wie seine Brüder auf der Rückseite. Die Jungens sind nur an ihren Songs interessiert und üben den ganzen Tag. Das macht einen wahnsinnig. Ich dachte wenn ich noch einmal „Fish Ain’t Bitin’“ hören muss, dreh ich durch“. Mathilda holte Luft. „Ohne Spaß“, sagte sie  und rollte wieder ihre grünen Augen hin und her.

„Na dann“, sagte ich ergeben. So schnell gab ich aber nicht auf. „Und was bitte schön ist mit dem …äh, was ist das eigentlich? Ach so, das ist ein Biber mit Taucherbrille“. Das war gar nicht so leicht zu erkennen, man musste schon genau hinsehen. „Also“, sagte ich nochmal, “ was ist DEM als Retter?“  „Das ist Hank Duddley“, sagte Mathilda und ihre Stimme klang auf einmal traurig, „ schlimme Geschichte ist das mit Hank. Weißt Du, er ist gar nicht von hier, wollte nur mal kurz seine Schwester im Hagenbeck besuchen und dann zurück nach Kanada, da lebt er nämlich in den Rocky Mountains, stell Dir das mal vor“. Mathilda schluckte. „Und was glaubst Du was passiert ist? Hm? Er ist aus Versehen auf dem falschen Umschlag gelandet, hörst Du, auf dem  f-a-l-s-c-h-e-n Umschlag, es ist nicht zu glauben. War natürlich keine Absicht, der arme Kerl hat einfach nur Pech gehabt. Tja, und nun ist er fix und fertig, klaro!  Es ist schwer vorstellbar, dass er seine Heimat jemals wiedersehen wird.“  Sie winkte Hank zu. Hank rückte verlegen seine Taucherbrille gerade und lächelte traurig zurück.

Mathilda sagte, “Ich denk mir ja immer, Mathilda denk ich mir, halt dich da raus…. Verwandtschaft ist o.k., meistens jedenfalls, aber halt dich raus, dann kommst du in nichts rein, hab ich nicht recht?“  Ich konnte nur zustimmend nicken, da fuhr sie auch schon fort, „ Das erinnert mich an den Platz, an dem ich aufgewachsen bin…… nette Leute übrigens. ER war cool, ich liebe Männer mit Vollbart, du nicht auch?“ Mathildas Augen blitzten schelmisch. „, Äh, sagte ich, “tja…  Aber schon plapperte sie weiter, „ jedenfalls von ihm weiß ich einen Spruch, den hab ich mir gemerkt, denn der passt für Alles! Und zwar lautet er „Das Leben ist kein Ponyhof!“ Er passt wirklich für Alles, ich hab es selbst ausprobiert, für einfach Alles!“ Mathilda war überwältigt, das konnte ich deutlich sehen. Sie atmete schwer und ich nützte die Gelegenheit, auch mal wieder etwas zu sagen, „Das klingt ja sehr aufregend was du alles erlebt hast. Ein wahres Glück, dass Dir nichts passiert ist, aber wirklich“. Ich blickte auf den Umschlag und Udo zwinkerte mir zu. Echt jetzt. Schnell sagte ich „Schaun ´wir mal, ob da noch was im Umschlag ist, irgendwelche Papiere oder so“. Ich musste mir abgewöhnen, zwinkernde Krokodile zu sehen!

Im Umschlag war tatsächlich ein Papier auf dem mit großen Buchstaben stand  „Gestatten, Mathilda von Firlefanz“. „Schau mal Mathilda“, sagte ich, „deine Geburtsurkunde“. Nun war mir auch klar, wo das Firlefanz herkam. Mathilda blickte kritisch auf das Stück Papier. „Ich kann nicht lesen, „sagte sie, „wer weiß was du mir da alles vorliest.“ Sie gähnte und sagte, „Sorry, ich  glaub ich bin müde. Da werde ich immer ein bisschen grantig. Ich weiß, eigentlich schwer vorstellbar, aber so ist es halt.“ Ich schwieg höflich zu diesem Kommentar. „Wie wär´s wenn wir morgen gemeinsam alles  lesen, was auf meiner Geburtsurkunde steht, hast Du Lust?“, fragte Mathilda.  „Klar, sagt ich“, kein Problem. Halt, wart mal, da ist noch was im Umschlag.“ Ich packte ein bemaltes Schildchen aus Holz aus, auf dem stand in blauen Buchstaben geschrieben FINGER WEG VON MEINER SEIFENBLASE!  „Das ist ein lustiges Schild“, sagte ich zu Mathilda, „weißt du, für was das wohl gedacht ist?“ Sie schüttelte den Kopf. Ich nahm den Umschlag, stellte ihn auf den Kopf und heraus fiel ein kleines Päckchen in dem ein kleines Teil verborgen war, das aussah wie ein Birnchen. Fragend blickte ich Mathilda an. Sie nahm das Birnchen und schüttelte es. Nichts passierte. Mathilda schaute ungläubig auf das Holzschildchen, dann auf das Birnchen und sagte mit Grabesstimme, „  Nur 1 Brettchen, keine 4 Brettchen – 4 hätte ich gebraucht um eine Kiste zu bauen, um mich vor Udo und Fiete zu schützen. Und dann hätten wir da noch eine Taschenlampe“, sie blickte verächtlich auf das Birnchen, „ die auch nicht funktioniert. Und SO schickt man mich auf eine gefährliche Reise…“ Mathildas Haare fingen gefährlich an zu zittern.  „Es ist nicht zu fassen“, ihre Stimme ging 3 Oktaven nach oben, „Das wird noch ein Nachspiel haben, soviel ist sicher!“

Genug davon für heute, beschloss ich und bevor Mathilda noch etwas einfiel, sagte ich schnell, „Hm, ich glaub ich bin jetzt auch müde. Morgen ist auch noch ein Tag und für heute reicht es an Neuigkeiten und Abenteuer. Das Leben ist kein Ponyhof, was Mathilda?“

Mathilda kicherte und nickte heftig mit dem Kopf. Sie ließ sich von mir hochnehmen und auf das Regal setzen. Interessiert blickte sie sich um. „Wow“, sagte sie, „ da sitzt ja ein Bär in einem gestrickten kanadischen Pulli. Den müssen wir morgen unbedingt Hank zeigen, er wird ausflippen!“. „Machen wir“, sagte ich, “ hoffentlich hast du es bequem. Was möchtest du eigentlich zum Frühstück?“ Mathilda gähnte und die Augen fielen ihr zu. Sie sagte, „Ach morgens ess ich nie sehr viel; mir genügt ein Schokocroissant, ein Schokoriegel, ein Schokoladen-Doppelkeks, ein Stück Schokoladentorte und eine doppelte Heiße Schokolade.“

„Na dann, “ sagte ich, “ sieht so aus, als ob ich zeitig aufstehn werde morgen früh!“

 

 

Mathilda und
der mysteriöse Umschlag
Kapitel 2

„Schöne Zustände sind das hier! Dafür also habe mein Leben riskiert, dafür hab ich gegen ein gefährliches Krokodil und weiß noch was alles gekämpft. Guuut – ich versuch ja zu verstehen, dass mein Erscheinen gestern eine Überraschung war und ich deswegen nichts zum Abendessen bekommen habe – wobei ICH persönlich der Meinung bin, dass es mit einem bisschen guten Willen locker zu schaffen ist, immer genug Essen im Hause vorrätig zu haben damit Besuch, auch wenn er unerwartet kommt, nicht hungrig ins Bett gehen muss. Und S-t-u-n-d-e-n- später bin ich also kurz vor dem Verhungern – und DU liegst immer noch im Bett! Und schläfst! Genau so hab´ ich mir das vorgestellt! Aber das scheint dir ja alles nicht wichtig zu sein, du hast ja noch nicht mal die Augen aufgemacht! Und ich sitze hier und rede und rede ….

Benommen tauchte ich aus meinen Träumen auf… es konnte doch nicht schon Zeit sein zum Aufstehen! Ganz bestimmt nicht – also schnell die Decke über den Kopf ziehen und weiterschlafen – ein super Plan, wenn man mich fragte. Aber woher kam bloß die nicht abreißende, penetrant-quengelnde Stimme…

Probeweise machte ich ein müdes Auge auf. Komisch, ringsum war alles ganz still, die Vögel sangen nicht und von der Straße kamen auch keine Geräusche. Hm. Wieviel Uhr war es eigentlich? Ich suchte meine Brille und schaute auf dem Wecker. Was?? SO früh war es noch? Vor Schreck machte ich sogar mein anderes Auge auf. Kein Wunder, dass es hinter den Vorhängen noch dunkel war! Die Zeiger der Uhr standen nämlich auf 2.59 morgens!

Und dann fiel mir mein Besuch ein. Das konnte jetzt aber nicht wahr sein oder? Ich drehte meinen Kopf zur Seite – und tatsächlich auf dem Regal saß Mathilda mit zornig roten Backen und blitzenden Augen. „Mathilda!“, krächzte ich mit belegter Stimme, „Weißt du eigentlich wie spät… äh, wie früh es ist“?? „Ja klar“, entgegnete Mathilda und deutete auf den Wecker auf dem Nachttisch „siehst du nicht, der eine Zeiger steht in der Mitte nach oben und der andere Zeiger steht rechts weg …. es ist 3 Uhr morgens!“
Sie fing an zu lachen. „Das ist ja lustig, dass du das die Uhr nicht lesen kannst. Also – wie wäre es mit Frühstück?“ „ Aber um diese Zeit kann man doch nicht aufstehen und frühstücken schon gar nicht!“ Ich war fassungslos. „Ach… kann man nicht? …sagt WER?“ Mathildas Haarspitzen fingen an bedenklich zu zittern. „Hmmm, wer sagt so was?“ „Ähm….“. Na gut. Ich wusste wann ich verloren hatte. Ich hangelte mit den Beinen unter dem Bett nach meinen Hausschuhen.
„Warte, nimm mich mit. Wir gehn´ doch jetzt in die Küche, oder?““ rief Mathilde, „Oh – Guten Morgen, Hank! Es gibt Frühstück, endlich, ist das nicht toll?“
Hank gab sich echt Mühe, begeistert auszusehen. Er tastete unbeholfen nach seiner Taucherbrille und gähnte. Und gähnte nochmal. Dann kletterte er vom Umschlag herunter, setzte sich auf eine Kante am Küchentisch und sah uns traurig und müde an.
Für einen nachtaktiven Gesellen – diesen Ausdruck für Biber hatte ich mal in einer Naturzeitschrift gelesen – guckte er ziemlich verschlafen aus der Wäsche. Egal. Ich brauchte jetzt dringend eine Tasse Kaffee.
Ich warf noch einen Blick auf den Umschlag, aber da rührte sich sonst keiner. Die Anderen schienen alle noch zu schlafen. Glückspilze, dachte ich und seufzte.
Mathilda hatte es sich auf meiner Schulter bequem gemacht. Gähnend ging ich in die Küche, setzte Wasser auf für meinen Kaffee und machte mich daran den Küchenschrank nach Frühstücksmöglichkeiten für ein hungriges rothaariges Stoffpüppchen und einen deprimierten kanadischen Biber mit Taucherbrille zu durchsuchen. Mathilda wollte meinen Namen wissen. „Susanne“, murmelte ich und zog aus der hintersten Ecke vom Schrank eine zerknitterte Schachtel mit Kakaopulver hervor. „Susanne- Ha! Teekan-ne, alte Pfan-ne, Weihnachtstan-ne, Badewan-ne“ kichterte Mathilda albern und hüpfte auf meiner Schulter hin und her.
Das Suchen im Schrank brachte neben vielen Dingen, von deren Dasein ich bis dato keine Ahnung gehabt hatte, auch eine Dose mit vier Zwiebäcken älteren Datums, eine angebrochene Packung Haferflocken und ein Tütchen Zucker von meinen Liebingsitaliener La Polpo Nero Grande zu Tage.
Im Kühlschrank gab es Butter, drei Eier, zwei trockene Scheiben Tostbrot, einen Rest Käse, Milch, eine schon ziemlich weiche und braune Banane und ein Glas selbstgemachte Orangenmarmelade. Na also!
„Mathilda“, sagte ich nicht wenig stolz auf meine Entdeckungen, „gleich gibt´s Frühstück!“
Mathilda teilte meine Begeisterung nicht. „Ich wollte ein Schokocroissant, einen Schokoriegel, einen Schokoladen-Doppelkeks, ein Stück Schokoladentorte und eine extra große Heiße Schokolade!“
„Ja, ja“, murmelte ich und schlürfte dankbar meinen heißen Kaffee,
„normalerweise ist die Küche noch geschlossen um diese Tages- ähm Nacht–Zeit, Frühstück gibt es sonst nie vor 7 Uhr morgens. Und so halten wir es ab morgen auch wieder, junge Dame, heute ist eine Ausnahme“!
Mathilda hörte mir gar nicht zu; sie war damit beschäftigt, in den Becher mit der heißen Milch den ich vor sie hingestellt hatte, große Esslöffel Schokoladenpulver zu rühren. Das meiste davon landete allerdings nicht im Becher und es dauerte nicht lange, bis der ganze Tisch dick mit Schokoladenpulver bestreut war. Und dann, bevor ich etwas sagen konnte, holte Mathilda tief Luft und blies mit dicken Backen das Schokoladenpulver vom Tisch auf den Boden. „Das hättest du nicht erwartet, was? Tja, ich weiß eben wie man eine Wohnung sauber hält!“ Mathilda strahlte mich erwartungsvoll an. Stumm zeigte ich auf den Boden. Mathilda rief erbost: “Aber man kann es dort unten doch kaum sehen, außerdem das verteilt sich sowieso mit der Zeit! Wie kann man nur so pingelig sein – mach dich doch mal locker, Pfffff…!“ Sie hatte rote Backen und schon wieder zitterten ihre Haarspitzen besorgniserregend. „Oder wie siehst du das, Hank – also ich hab auf jeden Fall recht, nicht wahr Hank? …..Hank, Haaaank?? Wie jetzt – Du schläfst schon wieder? Um diese Tageszeit? Du meine Güte, wo bin ich bloß hingeraten?“Diese Nachtzeit liebe Mathilda, nicht Tageszeit, korrigierte ich im Stillen und warf einen Blick auf die Uhr, die 4.15 anzeigte; Hank, der mit offenem Mund leise vor sich hin schnarchte, war zu beneiden.„So Mathilda, hier ist dein Frühstück; jetzt wird gegessen und dann sieht die Welt bestimmt gleich wieder fröhlicher aus.“ Meine Stimme klang freundlich aber bestimmt. Es schien zu funktionieren, auch wenn Mathilda das Toastbrot mit Butter und Orangenmarmelade kritisch beäugte. „Na ja, Hmpf!“, war ihr Kommentar dazu. „Na ja, Hmpf!“, sagte ich, zog eine Grimasse und biss in die geschälte, braune Banane. Mathilda kicherte.
„Wir gehen heute einkaufen“, sagte ich, „und du darfst mit. Morgen gibt es ein tolles Frühstück, versprochen!“ „Au ja“, Mathilda hüpfte vom Stuhl und rannte in der Küche hin und her „und Hank darf auch mit! Dann ist er vielleicht nicht mehr so traurig.“ Hank ließ am Tisch traurig den Kopf hängen. „Wir müssen was tun“, flüsterte Mathilda, „ der arme Hank – nun lass dir doch endlich mal was einfallen.“ Mathilda blickte mich vorwurfsvoll an. „Ich? – wieso denn ich??“ Ich war ich platt! „Na hör mal!“ Mathilda steigerte sich rein, „darf ich dich daran erinnern, dass wir nicht freiwillig hier sind? Hank wäre viel lieber in Kanada und ich …. ICH wäre lieber bei den Leuten bei denen ich aufgewachsen bin. Der Mann, hach der Mann sage ich dir, der war so cool mit seinen Sprüchen – und erst sein Vollbart!“ Mathilda verdrehte die Augen. Dann warf sie mir einen vernichtenden Blick zu, „Aber du, du hast ja nicht mal einen Bart!“ „Na das will ich doch hoffen!“ Ich wusste nicht ob ich lachen oder weinen sollte. „Ja und noch was“, sie war noch nicht fertig, “ Frühstück gab es dort jeden Morgen ganz bald!“ „Ach ja“, sagte ich, “womöglich so gegen drei Uhr morgens, was?“ „Nö“, sagte Mathilda „nicht um 3, aber spätestens gegen 5 Uhr. Und weißt du auch warum?
Die haben nämlich zwei Katzen und die machen echt Radau, wenn das Frühstück nicht pünktlich serviert wird; die greifen dann in ihre Trick-Kiste und dann ist aber was los! Die Zwei haben den Laden ganz schön im Griff. So!“ “Magst du Katzen?”, fragte ich Mathilda neugierig. “Keine Spur”, meinte sie, “die schieben sich immer so in den Vordergrund und werden gleich böse wenn man ihre Wünsche nicht erfüllt. Unmöglich finde ich so was!”. Hm, dachte ich, kenne ich so jemand nicht auch?
Na schön, dann würde Mathilda bald eine Überraschung erleben. Bei mir wohnte nämlich ein Kater, groß und schwarz mit Namen Leopold. Seine Futterschüsselchen auf dem Küchenboden waren beide leer und das bedeutete, es dauerte sicher nicht mehr lange bis Leopold nach Hause kam und Hunger hatte.

“Also Mathilda, wie wäre es wenn wir uns gemeinsam um Hank kümmern? Vorschlag: wir holen jetzt den Bär mit dem kanadischen Pulli, der auf dem Regal sitzt und du stellst ihn Hank vor. Und ich mach Hank in der Zwischenzeit ein gutes Frühstück. Was meinst du?” “Yay!” Ich konnte gar nicht so schnell gucken, wie Mathilda zuerst auf den Stuhl, von dort auf den Fußbden und dann losrannte ins Schlafzimmer, wo auf dem Regal der Bär saß. Ich holte den Bär herunter und dann gingen wir in die Küche, wo ich Mathilda und den Bär auf Tisch setzte.

Aber Mathilda sprang sofort wieder hoch und hüpfte auf dem Tisch hin und her. “Schau doch mal Hank, schau mal, Hank schau doch mal!” Sie schob den Bären direkt unter Hank´s Nase. Hank starrte den Bär mit offenem Mund an. „Äh….. was? woher? wieso?“ Er war ganz verwirrt und Mathilda mit ihrem Gehopse war nun wirklich keine Hilfe für den armen Kerl. Ich setzte mich zu Hank an den Tisch und stellte einen Teller mit frischgekochtem Haferflockenbrei und eine Tasse Milch vor ihn hin. „Ich erzähle Dir eine Geschichte“, sagte ich zu Hank „iss dein Frühstück und pass gut auf. Es war vor zwei Jahren an einem ziemlich kalten Dezemberabend, da ……

„Wie jetzt, guck, gluck – ihr habt schon mit dem Frühstück angefangen? Ist überhaupt noch, gluck gluck, etwas übrig – oder habt ihr etwa allees weggeputzt??“ Hui, hab ich mich jetzt erschrocken – wo kamen denn auf einmal diese Stimmen her und wieso 6-stimmig?
Wow! – auf dem Boden im Türrahmen standen aufgereiht die Jonas Brothers! „Ich dachte immer Fische brauchen Wasser“, platzte ich heraus. „Ja,ja“ kam die 6-fache Antwort zurück, „aber wir, gluck gluck, sind die Jonas Brothers und wir können beides, im Wasser und gluck gluck, auf dem Land leben.“
Na, das konnte heiter werden. Und was sollte ich den Herren nur zum Frühstück richten? Ich hatte eine Idee. Ich nahm die restliche Tostbrotscheibe und die Zwiebäcke und zerbröselte beides zu feinen Stückchen auf einem Teller – Voilá ! Ich muß sagen, so ein 6-faches Lob – und dazu noch von Fischen, gluck-gluck! – hat was für sich! Interessieren würde mich schon, ob die Jonas Truppe auch jeder für sich alleine reden konnte, oder ob das immer nur in 6-facher Ausfetigung im Chor möglich war? So gut kannten wir uns aber noch nicht und ich wollte auch nicht zu neugierig sein, hm ….. Na ja, vielleicht traute ich mich ja später irgendwann zu fragen.

Mathilda hatte sich müde gelaufen und schlief tief und fest. Ihr Kopf lag auf Hank´s Schulter, der seinen neuen kanadischen Freund fest im Arm hielt und sich mit ihm zufrieden lächelnd und gar nicht mehr traurig auf Englisch unterhielt.
Alle waren um und auf dem Küchentisch versammelt, nur Udo das Krokodil mit seinem Kumpel Fiete Piepenbrink fehlten noch. Wie sie bei diesem Getöse allerdings schlafen konnten, wunderte mich schon. Ich musste das wohl laut gedacht haben, denn neben mir sagte eine rauhe und irgendwie schlangenmäßig lispelnde Stimme, „ Meine Gnädigste, wenn Sie ein gutes Gewissen hätten wie ich, würden Sie auch so gut schlafen“. Udo blinzelte mich an, während er die Fühstücksreste inspizierte. Er trank den restlichen Kaffee aus meiner (!) Tasse und verspeiste die drei Eier, roh und mitsamt der Schale. Und wie das knackte – brrrrr!

Ich entdeckte Fiete Piepenbrink in seinem roten Sportwägelchen, der ziemlich missmutig vor sich hin starrte. Udo bemerkte meinen Blick und sagte, „Unser Fiete ist so was von einem Morgenmuffel, den darf man nie und ich meine gar nie vor dem Frühstück ansprechen!“ Ich war angenehm überrascht! Endlich mal jemand der genau wie ich morgens erstmal seine Ruhe wollte! Ich ging zum Herd wo ich die restliche Milch heiß machte und sie zusammen mit dem Einzigen was vom ganzen Frühstück übriggeblieben war – einem Stückchen Käse – wortlos auf die Motorhaube von Fietes Sportwagen stellte.

Und dann ließ ich mich erschöpft auf dem Küchenhocker nieder. Die Uhr zeigte 7.55 morgens und ich war schon wieder reif für mein Bett. Na ja, wenn man bedenkt, daß der Tag für mich um 2.58 Uhr heute morgen angefangen hatte war das ja wohl auch verständlich. Ob es wohl jemand merkte, wenn ich für ein paar Minuten meine Augen schließen würde…. oh, tat das gut ……

„Das glaub ich ja wohl jetzt nicht!! Was wollt ihr denn hier – verschwindet, aber zackig!“
Erschrocken riss ich meine Augen auf! Mathilda stand mit zorngerötetem Gesicht und ihren berühmt-zitternden Haarspitzen vor Udo und Fiete und fuchtelte wild mit den Armen. „Mathilda!“ Dieses Drama hatte mir gerade noch gefehlt. „Laß Udo und Fiete in Ruhe, die wollen nur mit uns frühstücken!“
„Nur mit uns frühstücken?? Und dann womöglich ab nach Buxtehude, was? Soweit kommt´s noch!“ Mathilda war nicht zu bremsen.
Sie sprang vom Tisch herunter auf den Boden. „Also gut!“ Mathilda schaute mich an und rief, „wenn du nichs unternimmst, dann kümmere ich mich drum. Ich geh jetzt und hol die Polizei!“ Sie lief zur Türe….

Und dann geschah es!

Kater Leopold war zum Fressen nach Hause gekommen; er saß mitten in der Küche und maunzte mich an, er hatte Hunger. Und Mathilda hatte es so eilig……sie bemerkte ihn nicht und rumms –war Mathilda mit Kater Leopold zusammen gestoßen!! Sie blickte nach oben …… und fiel vor Schreck auf ihr Hinterteil.

Oh je! „Das ist nur Kater Leopold, der ist ganz lieb, der tut dir nichts“, rief ich … und sprang auf um ihr zu Hilfe zu eilen. Aber – zu spät! Mathilda war vor Schreck ohnmächtig geworden!


 

Wie schön – Überraschungspost aus Tornesch!  ….. mit  Krokodil Udo,  dem kanadischen Hamster Hank,  der Fischband Jonas Brothers,  einem Ganoven mit Namen Fiete Piepenbrink – und natürlich mit Mathilda, der Hauptperson!  Alles zusammen auf und in einem Umschlag  – eine tolle Inspiration für eine Geschichte!

Gesagt, getan – Teil Eins und Zwei sind geschrieben! Und jetzt? Wird Hank jemals seine Heimat Kanada wiedersehen?  Mathilda und Leopold – gibt es für sie trotz ihrem schlechten Start ein Happy End?

Und  wann geht es weiter mit Teil 3 der Geschichte von Mathilda und dem mysteriösen Umschlag?

Fragen über Fragen ….. :o)

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